Arbeitnehmer und Arbeitgeber haben immer mehr Mühe, auf dem Stellenmarkt reibungslos zueinander zu finden und sich zu binden. Doch woran liegt das? Anlässlich des von Rundstedt und HR Today organisierten «HR Today Research Roundtables» diskutierten Novartis Schweiz HR-Leiter Thomas Bösch, Georg Fischer HR-Leiter Peter Ziswiler, der Executive-Search Spezialist Thomas A. Biland und von Rundstedt-CEO Pascal Scheiwiller.
«Viele Arbeitgeber definieren ihre Stellenprofile immer noch sehr eng, obwohl sie sich auf einem ausgetrockneten Arbeitsmarkt bewegen», konstatiert Executive Search-Spezialist Thomas A. Biland. Auch von Rundstedt-CEO Pascal Scheiwiller beobachtet eine solche Entwicklung. «Die Alles-muss-passen-Mentalität hat sich in den letzten zehn Jahren verstärkt. Viele Firmen sind nicht mehr bereit, bei der Stellenbesetzung Kompromisse einzugehen.»
Während die Messlatte bei externen Kandidaten bei der Jobprofilpassung immer noch übermässig hoch angelegt wird, werden Abweichungen vom Ideal intern eher in Kauf genommen, meinen Georg Fischer HR-Leiter Peter Ziswiler und Pascal Scheiwiller. Letzterer vermutet, dass Konzern-HR-Verantwortliche sich davor fürchteten, keine neuen Mitarbeitenden zu finden und auf der anderen Seite nicht ganz Passende zu schnell entlassen werden.
Die Fokussierung der Arbeitgeber auf die fachliche Passung eines Kandidaten bei der Rekrutierung hat für Pascal Scheiwiller in einer sich immer rascher ändernden Arbeitswelt keine Zukunft mehr. Viel bedeutender würden dagegen Kreativität sowie Sozial- und Problemlösungskompetenzen. «Nur wer diese besitzt, kann sich in einem disruptiven Umfeld agil bewegen.»
Ist die Stellenbesetzung nach Jobprofilen also ein Auslaufmodell? Für Thomas Bösch hat diese Methode in den Unternehmen deutlich an Bedeutung eingebüsst. «Viele Fachkompetenzen sind mittlerweile so kurzlebig, dass sie für den Unternehmenserfolg nicht mehr zentral sind. Wir müssen viel mehr über die grundlegenden Fähigkeiten eines Kandidaten sprechen und Persönlichkeiten finden, die den Wandel im Unternehmen unterstützen.» Doch was heisst das für Arbeitnehmende? «Es geht um die Art und Weise, wie Mitarbeitende ihr Wissen anwenden und ob sie dieses von einem Umfeld in ein anderes übertragen können», meint Thomas Bösch. «Menschen, die eine lineare Karriere verfolgt haben, tun sich manchmal schwer damit.» Dabei hat Agilität für ihn weniger mit dem Alter, als mit der Persönlichkeit eines Arbeitnehmenden zu tun. Eine Meinung, die Thomas A. Biland, Pascal Scheiwiller und Peter Ziswiler teilen.
Während von Bewerbenden Agilität in Stelleninseraten zunehmends eingefordert wird, stecken viele Unternehmen in verkrusteten Strukturen fest. «Wir müssen auch im Unternehmen Beweglichkeit aufbauen», fordert Peter Ziswiler. «Arbeitnehmende brauchen interne Bewegungsmöglichkeiten, damit sie dort arbeiten können, wo sie ihre Stärken und Fähigkeiten am besten einbringen können, ergänzt Pascal Scheiwiller. Dafür benötigen Firmen wiederum agilere Strukturen. Doch das setzt Vertrauen in die Mitarbeitenden voraus. Darum ist es in der Praxis aber nicht immer zum Besten bestellt: «Es fehlt den Unternehmen oft an Mut, jemandem eine Aufgabe anzuvertrauen, die ausserhalb seines bisherigen Tätigkeitsgebiets liegt», sagt Peter Ziswiler. Vertrauen setzt für ihn Offenheit voraus und nur dann würden auch kritische Themen oder Entwicklungen im Unternehmen angesprochen. «Nur wenn wir offen und ehrlich miteinander sind,werden wir agil sein.»
Demgegenüber steht der Trend vieler Konzerne, kreative Räume eng zu machen, in dem Compliance- und Controllingstrukturen aufgebauscht und detailliert vorgegebene Prozesse strikt eingefordert werden. Laut Pascal Scheiwiller mitunter ein Grund, weshalb immer mehr Topleute aus Grossunternehmen nach beruflichen Alternativen suchen. «Viele starke und gute Leute wollen aus der Corporate Welt heraus. Sie wollen in einem Umfeld arbeiten, wo sie mehr Freiheiten haben.» Auch Thomas A. Biland verspürt dieses Bedürfnis seitens der Kandidaten und ortet ein widersprüchliches Verhalten der Arbeitgeber: «Man redet in Grossfirmen von Freiheit, Selbstverwirklichung und Dynamik. Doch die Mitarbeitenden werden immer stärker kontrolliert. Schwächere akzeptieren dies murrend, Starke verlassen das Unternehmen dagegen, wenn sie keinen Sinn in ihrem Tun sehen.»