Ergebnisse: Umfrage zum Schweizer Arbeitsmarkt 2018 / VON RUNDSTEDT / HR Today

Die grosse Umfrage zum Schweizer Arbeitsmarkt 2018 

– die wichtigsten Erkenntnisse –

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Während der letzten vier Monate haben über 500 Linien- und HR-Manager an der grossen Umfrage zum Schweizer Arbeitsmarkt 2018 teilgenommen. Wir möchten uns an dieser Stelle ganz herzlich bei allen Teilnehmern bedanken. Sie haben dazu beigetragen, das Bild zum Arbeitsmarkt in der Schweiz zu vervollständigen. Wir werden monatlich mit Zahlen vom SECO versorgt. Regelmässig finden Diskussionen in der Öffentlichkeit darüber statt, welche Trends nun welche Auswirkungen haben, wer die Leidtragenden sind, wer davon profitiert und wer dafür verantwortlich gemacht werden muss. Vor allem die hitzigen Diskussionen rund um die Ü50 Thematik und die durch den Fachkräftemangel begründete Zunahme der Zuwanderung sorgen regelmässig für rote Köpfe und ratlose Gesichter. Mit dieser gemeinsamen Umfrage wollte HR Today zusammen mit von Rundstedt die Realität in den Schweizer Unternehmen abbilden, indem gezielt HR Manager und Linienverantwortliche zur anonymen Teilnahme aufgefordert wurden. Wie sieht die betriebliche Realität betreffend Rekrutierungsverhalten, Ü50 und Fachkräftemangel wirklich aus? – Hier die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst und im Gesamtkontext der Marktbeobachtungen interpretiert.

Die Beurteilung der Arbeitsmarkt-Trends nach Branche:

Die Wichtigkeit der gängigsten Arbeitsmarkttrends wurde naturgemäss je nach Branche unterschiedlich beurteilt. Spannend ist vor allem auch die Tatsache, dass in der Summe über alle Trends in Branchen ein unterschiedliches Trendbewusstsein herrscht. So mag überraschen, dass neben den dynamischen Branchen Life Sciences und IT die herstellende Industrie einen sehr hohen Wert erzielt. Dagegen wirken die Finanzdienstleistungen, Business Services und vor allem die Konsumgüterindustrie mit einem tieferen Wert resistenter. Dies unterstreicht die Vermutung, dass die herstellende Industrie durch den grossen Wettbewerbsdruck zu besonderer Agilität gezwungen wird.

 

Zum Rekrutierungsverhalten der Arbeitgeber sind branchenübergreifend folgende Ergebnisse bemerkenswert:

  1. Starker externer Fokus bei der Besetzung offener Stellen

Offene Stellen werden primär durch externe Kandidaten neu besetzt. Bei der Mehrheit von 62% der Arbeitgeber werden weniger als 25% der offenen Stellen durch interne Kandidaten besetzt. Bei nur 10% der Arbeitgeber werden über 50% der offenen Stellen durch interne Bewerber besetzt. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass die Potenziale der internen Mobilität und Entwicklung der bestehenden Mitarbeiter nur wenig genutzt werden. Dies wäre aber gerade bei Schlüsselstellen mit weniger Risiko und Kosten verbunden.

 

  1. Blindbewerbungen lohnen sich wieder

Blindbewerbungen werden seit langem allgemein für tot erklärt. Die Realität zeigt aber überraschend ein anderes Bild. So messen 54% der Arbeitgeber den Blindbewerbungen eine grosse Wichtigkeit bei. Vor allem KMU (75%) nutzen und berücksichtigen Blindbewerbungen systematisch für ihre Rekrutierungsprojekte. Dies ist mit Sicherheit darauf zurückzuführen, dass mit neuen Technologien Bewerbungen einfach registriert, archiviert und projektunabhängig weiterverfolgt werden können. Diese Zahlen sollten Bewerber dazu ermutigen, sich bei ihren Wunscharbeitgebern unabhängig davon zu bewerben, ob offene Stellen ausgeschrieben sind oder nicht.

 

  1. Headhunter und externe Stellenvermittler verlieren an Boden

Die externe Stellenvermittlung war in der Schweiz jahrelang eine prosperierende und inflationäre Wachstumsbranche. Dies hat sich durch die digitalisierungsbedingten zunehmenden Direktsuchmöglichkeiten für Arbeitgeber den letzten Jahren massgeblich verändert. So erachten heute nur gerade noch 30% der Unternehmen Headhunter und externe Stellenvermittler als eher wichtig oder wichtig für ihre Rekrutierung. Dieser Wert ist sehr viel tiefer als die Referenzwerte anderer Suchinstrumente (alle zwischen 60% und 80%). Bereits 35% der Arbeitgeber arbeiten sogar bereits mit einer eigenen Rekrutierungsplattform. Diese Zahlen begründen auch den aktuell stattfindenden Konsolidierungsprozess und Strukturwandel innerhalb der Vermittlungsbranche.

 

  1. Arbeitszeugnisse verlieren an Vertrauen und Bedeutung

Arbeitszeugnisse waren lange Zeit der Segen für die Evaluation von Bewerbungen und Kandidaten. Dies scheint sich auch schleichend zu verändern. Zwar sind Arbeitszeugnisse nach wie vor ein formales Muss, so sind sie für 73% der Arbeitgeber nach wie vor massgeblich und erforderlich. Sie müssen solid sein und dürfen auf keine Risiken hinweisen. Der inhaltlichen Aussagekraft von Arbeitszeugnissen wird aber merklich weniger Vertrauen geschenkt. So vertrauen nur noch 55% der Arbeitgeber deren inhaltlichen Aussagen. Dies lässt den Schluss zu, dass die Arbeitszeugnisse in Ordnung sein müssen, aber in vielen Fällen kaum mehr der qualitativen Differenzierung und zum Vorteil dienen. Die rechtliche Einschränkung der Ausgestaltung und die informellen Alternativen zur Beschaffung von Informationen über Internet und verdeckte Kontakte können und werden diesen Trend weiter befeuern.

 

  1. Persönliche Referenzen werden häufig ohne Ermächtigung eingeholt

Die Schweizer Arbeitgeber setzen heute stark auf direkte persönliche Referenzen. So betrachten 91% der Arbeitgeber das Einholen von persönlichen Referenzen als wichtig. Bemerkenswert ist dabei, dass 60% der Arbeitgeber auch ohne explizites Einverständnis von Bewerbern im Rahmen ihres persönlichen Netzwerks Referenzen einholen, obwohl dies rechtlich nicht erlaubt ist. Auch hier helfen soziale Netzwerke ungemein, da rasch gemeinsame Kontakte und mögliche Vertrauenspersonen identifiziert werden können. Es ist wichtig, dass sich Bewerber dessen bewusst sind und darauf achten, dass sie auch bei schwierigen Trennungsprozessen im Guten auseinander gehen, damit dies später bei zukünftigen Bewerbungen nicht negativ auf sie zurückfällt.

 

Zu den vertieften Themen Ü50 und Fachkräftemangel sind folgende Erkenntnisse aus der Umfrage hervorgegangen:

 

  1. Probleme mit Ü50 und Fachkräftemangel werden überschätzt

In vielen Diskussionen und Kommentaren wird Arbeitgebern heute ein diskriminierendes Verhalten gegenüber älteren Arbeitskräften (Ü50) vorgeworfen. Dies führt zu einer entsprechenden öffentlichen Wahrnehmung gegenüber dem Gesamtmarkt Schweiz. Allerdings zeigen die erhobenen Zahlen auf, dass die betriebliche Realität doch wesentlich besser aussieht. In der öffentlichen Wahrnehmung räumt eine Mehrheit eine Benachteiligung älterer Arbeitskräfte (Ü50) ein, und zwar 60% bei Kündigungen, 42% bei internen Beförderungen und 81% bei Neueinstellungen. Aus der eigenen betrieblichen Erfahrung im eigenen Unternehmen können die gleichen Teilnehmer diese Benachteiligung aber nicht feststellen und bestätigen. So sind dies bei Kündigungen nur 20%, bei internen Beförderungen 21% und bei Neueinstellungen nur 31%. Das zeigt, dass das Thema Diskriminierung von Ü50 häufig von Einzelfällen getrieben ist und in der Realität kaum strukturell nachgewiesen werden kann. Dies erklärt auch die Zahlen des SECO zur wachsenden Erwerbsquote von Ü50. Beim Fachkräftemangel zeigt sich ein ähnliches Bild, auch wenn hier der Unterschied zwischen öffentlicher Wahrnehmung (81%) und betrieblicher Realität (59%) ein wenig kleiner ausfällt. Man ist sich somit mehrheitlich einig, dass Fachkräftemangel in der Schweiz eine aktuelle Herausforderung darstellt.

 

  1. Vorurteile zu Ü50 Stereotypen sind kaum spürbar

Es wird häufig kritisiert, dass ältere Arbeitskräfte (Ü50) aufgrund von Stereotypen in den gleichen «Alterstopf» geworfen werden und aufgrund von Plattitüden vorverurteilt würden. Auf die konkreten Altersnachteile angesprochen hat sich aber herausgestellt, dass die Umfrageteilnehmer aus HR und Führungslinie diese in Wirklichkeit aber kaum so sehen. So werden ältere Arbeitskräfte bei den vermeintlichen Vorurteilen Umgang mit Veränderungen (45%), tiefere Agilität und Flexibilität (32%), tiefere Dynamik und Einsatzfreude (16%), schwierigere Führbarkeit (26%) und Teamintegration (8%) und die naturgemäss höheren Kosten (32%) nicht im Nachteil gesehen. Nur bei der Affinität zu Technologie und sozialer Kommunikation entstand eine kleine Mehrheit von 52%, welche einen Nachteil ausgemachen. Das ist eine wichtige psychologische Botschaft an betroffene Ü50 Stellensuchende, sich nicht zu stark auf diese Aspekte zu konzentrieren und sich mehr mit der Positionierung ihres beruflichen Kompetenz- und Erfahrungsprofils auseinanderzusetzen.

 

  1. Geringe Bereitschaft zur Ü50 Bevorzugung aus moralischen Gründen

Mit Spannung haben wir die Beantwortung der hypothetischen Frage erwartet, ob Arbeitgeber bereit sind, ältere Arbeitskräfte (Ü50) aus moralischen Überlegungen im Sinne der sozialen Verantwortung zu bevorzugen. Wenn das Ü50 Profil leichte Nachteile aufweist, hat dies bei Schweizer Arbeitgebern prinzipiell kaum eine Chance (nur 20%). Sogar bei genau gleicher Profilstärke würden nur 48% der Arbeitgeber eine Bevorzugung eines Ü50 Profils verantworten. Dieser Wert empfinde insbesondere vor dem Hintergrund der relativ schwachen Werte bei den Vorurteilen (vgl. Punkt 7) recht tief. Somit scheint eine mitunter moralische Bewertung einer Kandidatur keine Mehrheit zu finden.

 

  1. Grosse Bereitschaft zur Bevorzugung von Schweizer Arbeitskräften (natürlicher Inländervorrang)

Im Gegensatz zu den eher tiefen Werten bei der Bevorzugung älterer Arbeitskräfte (vgl. Punkt 8) bekennen sich eine grosse Mehrheit der Schweizer Arbeitgeber zur Bevorzugung von Schweizer gegenüber ausländischen Arbeitskräften. Die Voraussetzung ist auch hier, dass die Profile als gleichwertig angesehen werden. Bei Ü50 Arbeitskräften würden 73% der Arbeitgeber eine Schweizer Kraft bevorzugen, bei kritischen Fachkräften vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels sogar 79%. Die signifikant höheren Werte im Vergleich zu Punkt 8 (Ü50 Bevorzugung) lässt sich bestimmt mit mehreren pragmatischen Aspekten des Einstellungsverfahrens, der sprachlichen und kulturellen Integration, etc. erklären. Das bedeutet einerseits, dass beim Selektionsprozess bei Arbeitgebern neben Profilüberlegungen andere pragmatische Gründe relevant sind, aber keine moralischen Gesten erwartet werden dürfen. Das bedeutet andererseits, dass der «natürliche» Inländervorrang funktioniert und es dazu nicht unbedingt regulatorischer Interventionen der öffentlichen Hand bedarf.

 

  1. Höhere PK-Sätze für ältere Arbeitskräfte kein relevanter Nachteil

Für viele Exponenten von öffentlichen Diskussionen stellen die markant höheren Pensionskassensätze von älteren Mitarbeitern ein Hauptgrund der vermeintlichen Benachteiligung auf dem Stellen- und Arbeitsmarkt dar. Die Ergebnisse unserer Umfrage zeichnen ein anderes Bild. Für nur 20% der befragten Arbeitgeber sind die Zusatzkosten der höheren PK-Sätze in der Rekrutierung relevant. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass es bei Rekrutierungsentscheidungen primär um die bestmögliche Passung eines beruflichen und persönlichen Profils und andere Aspekte geht. Die PK-Sätze sollten in dieser Diskussion mehr in den Hintergrund gestellt werden.

 

  1. Die «Berufslehre für Ü50» findet Anklang und Unterstützung

Die Swissmem hat vor einiger Zeit eine Berufslehre für ältere Arbeitskräfte als Grundidee in die Diskussion eingebracht. In der Zwischenzeit arbeitet Swissmem an der Weiterentwicklung dieser Idee. Wir wollten von den Teilnehmern wissen, inwieweit sie diese Initiative unterstützen würden. Über alles empfinden 57% die Idee und das Prinzip der Berufslehre für ältere Arbeitskräfte, welche strukturell vom beruflichen Profil her nicht mehr marktfähig sind und eine fundamentale Neuorientierung und Umschulung brauchen, als sinnvoll. Ebenfalls 57% der Teilnehmer würde die Einführung einer Berufslehre im eigenen Unternehmen auch befürworten und persönlich unterstützen. Das ist ein gutes Zeichen und eine schöne Botschaft an die Initianten, dieses Projekt mit aller Kraft voranzutreiben.

 

  1. Noch wenig interne Massnahmen zur Förderung der Beschäftigungs- und Marktfähigkeit von Ü50

Um Mitarbeiter im Unternehmen frühzeitig und laufend in die Richtung neuer beruflicher und struktureller Anforderungen zu entwickeln, sind gezielte interne Massnahmen zur Förderung von Beschäftigungs- und Marktfähigkeit notwendig. Dazu sind regelmässige Standortbestimmungen und Entwicklungsmassnahmen nötig. Dies gilt als beste Prävention vor dem Altersrisiko im Arbeitsmarkt. Aktuell unterstützen nur 58% der Arbeitgeber auch ältere Mitarbeiter gezielt bei der Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung ihrer Beschäftigungs- und Marktfähigkeit. Dieser Wert ist im Hinblick auf die noch bevorstehenden grossen strukturellen Herausforderungen der digitalen Transformation tief und sollte von Arbeitgebern als Appell zu mehr Verantwortung und verstärkter Unterstützung verstanden werden.

 

  1. Neu lancierte Stellenmeldepflicht im Rahmen der MEI-Umsetzung wenig hilfreich für Ü50

Die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative war immer sehr umstritten. In der Diskussion über die Umsetzung ist die Vorlage immer stark mit dem Schutz von betroffenen Ü50 Arbeitskräften und dem Fachkräftemangel in Verbindung gebracht worden. Der angedachte Inländervorrang ist durch die Umsetzung der Stellenmeldepflicht und der entsprechenden Wartefrist quasi zu einem Informationsvorsprung für Stellensuchende geworden. Nun wollten wir von den Teilnehmern wissen, wie hilfreich und nützlich diese neue Regelung einerseits für ältere Arbeitskräfte (Ü50) und andererseits für die Abschwächung des Fachkräftemangels gesehen wird. Die Ergebnisse sind nicht überraschend und ernüchternd. Nur 20% betrachten die Vorlage als hilfreich und einen Vorteil für die Ü50 Population, und nur 19% glaubt, dass sich damit die Situation rund um den Fachkräftemangel verbessern lasse.

Abschliessend müssen wir feststellen, dass es in der öffentlichen Diskussion rund um Themen zum Schweizer Arbeitsmarkt doch zahlreiche Missverständnisse und Trugschlüsse gibt. Die Ergebnisse dieser repräsentativen Umfrage gibt der Diskussion hoffentlich einen neuen Impuls zu mehr Sachlichkeit und Ausgewogenheit.

Möchten Sie mehr Details zu den einzelnen Zahlen?

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Sind Sie an einer vertieften Analyse mit Expertendiskussion zu den Ergebnissen interessiert?

– Die ausgewerteten Studieninhalte werden im Rahmen eines Netzwerk Events noch präsentiert sowie im Podium diskutiert. Die Podiumsteilnehmer sind Hans-Rudolf Castell (HR Leiter Migros Gruppe), Boris Zürcher (Leiter Direktion für Arbeit/SECO), Peter Petrin (Rektor Hochschule für Wirtschaft Zürich HWZ) und Pascal Scheiwiller (CEO von Rundstedt). Der Event findet am 13. September 2018 ab 16.30 Uhr in Zürich statt.

ANMELDUNG ZUM NETWORKING EVENT / STUDIENPRàSENTATION:
Aufgrund grösserer Räumlichkeiten sind wieder Plätze verfügbar. Bitte melden Sie sich per Mail an: provenzano@rundstedt.ch ( Name, Vorname, Unternehmen, Mailadresse )

 


Bereits seit 1985 berät von Rundstedt Unternehmen und Einzelpersonen in Fragen rund um die Karriere und die Laufbahnentwicklung. von Rundstedt ist heute an 26 Standorten und mit mehr als 390 Mitarbeitern in Deutschland, Österreich und in der Schweiz tätig. Zur weiteren fokussierten Entwicklung der Geschäftstätigkeit in der Schweiz hat von Rundstedt 2014 die von Rundstedt & Partner Schweiz AG gegründet. Gerne beraten wir Sie an unseren acht Standorten in Basel, Bern, Genf, Lausanne, Lugano, St. Gallen, Zug und Zürich. www.rundstedt.ch