FACHKRÄFTEMANGEL – ARBEITGEBER BRINGEN SICH IN POSITION

Pascal Scheiwiler CEO von Rundstedt

Achtung. Fertig. Los. – Firmen müssen sich nicht nur auf den Absatzmärkten gegen ihre Konkurrenz durchsetzen. Auch im Arbeitsmarkt spitzt sich die Marktsituation zu. Die demografischen, volkswirtschaftlichen und strukturellen Ursachen von Fachkräftemangel liegen zwar ausserhalb des Einflussbereichs einer Firma, ein Arbeitgeber hat es dagegen selber in der Hand, sich im Fachkräftemarkt gegen andere Firmen zu behaupten.

Gute Arbeitgeber sind kaum vom Knappheitsproblem betroffen, während es unattraktive umso schwerer haben. Als Schlüsselfrage drängt sich auf: «Wie muss ich als Arbeitgeber sein oder was muss ich Mitarbeitenden anbieten, damit ich im War For Talent überlebe? – Nicht wenig überraschend orientieren sich Arbeitgeber beim Employer Branding an den vermeintlichen Präferenzen der jungen Generation. Diese wünschen sich Flexibilität, Freiheit, keine Zwänge, Impact, Sinn.

Die PR Stunts einiger Firmen im Nachbeben von Corona sind auf alle Fälle bemerkenswert.

  • So viel Ferien wie man will – Die Idee dazu kommt von Richard Branson (Virgin). Umgesetzt wird sie schon von Netflix. Wird denn da überhaupt noch gearbeitet? – Ja, eine Erhebung von XING in der Schweiz bringt hervor, dass Herr und Frau Schweizer im Durchschnitt nur 30.5 Tage Ferien nehmen würden.
  • Mit Holacracy keine Hierarchien mehr – fast alle Firmen reden in der Schweiz über flache Hierarchien, einige verzichten gänzlich darauf. In kleinen Firmen wie 1stQuad, Liip, Freitag, intersim, MySign, Feinheit oder Unic mag das funktionieren, aber geht das auch in Grosskonzernen? – Ja, zumindest in einzelnen Abteilungen von Swisscom, SBB oder der Post.
  • Basisdemokratisch den eigenen Chef wählen – Dass Führungskräfte von der Gefolgschaft ausgewählt und bestimmt werden, hat in der menschlichen Zivilisation lange Tradition. Nur hat man dies in der Geschäftswelt vergessen. Bei Haufe-umantis und der Deutschen Telekom IT wird die selbstbestimmte Führung schon viele Jahre praktiziert.
  • Effekthascherei bei Stellenausschreibungen – Bei der Vielzahl an Stellenausschreibungen muss man auffallen. Ob es auf sozialen Medien einen Shitstorm oder virtuellen Beifall gibt, spielt keine grosse Rolle. Was Benetton als Pionier der Skandalwerbungen schon im letzten Jahrhundert praktizierte, findet bei der Stellenwerbung zahlreiche Nachahmer. Es gibt aber auch positive Beispiele wie die Humor- und Charmeoffensive des Steueramts des Kantons Zürich.
  • Inflation der Arbeitgeberzertifikate und -auszeichnungen – Wer sich als Arbeitgeber als Sportsfreund, Frauenförderer, Umweltschützer, Weltverbesserer und LGBTQ-konform präsentiert, hat die besseren Karten.
  • Menschen glauben Menschen – Prospekte, Bilder und Geschichten von Firmen können noch so schön sein. Es ist klar, dass sie einen kommerziellen Zweck verfolgen. Teilen Menschen ihre Emotionen über ihren Arbeitgebenden, wirkt das viel glaubwürdiger. Die VBZ setzt mit der Talentry Content Community auf Demokratisierung und Storytelling, ihre Protagonisten sind die Mitarbeitenden. Auch Bay Wa setzt mit Azubi ♯noFilter auf diese Karte.
  • Hybrides Arbeiten – Wer nicht hybride Ansätze, Flexwork oder Arbeitsmodelle anbietet, stellt sich heute vor allem bei den Jungen rasch ins Abseits.

Aktuell machen viele verschiedene Ranglisten und Prämierungen von Top Arbeitgebenden die Runde. Diese bringen uns aber nicht weiter. Die Hidden Champions im B2B Geschäft finden wir da kaum. Von ihnen möchten wir aber lernen.

Vielleicht macht es Sinn, über die Grenze nach Deutschland zu schauen. Während der Fachkräftemangel in der Schweiz dank der Arbeitsimmigration nie richtig kritisch geworden ist, leidet unser nördlicher Nachbar schon länger und vor allem viel stärker darunter. In Deutschland haben deshalb in den letzten Jahren viele Arbeitgeber mit innovativen Initiativen auf sich aufmerksam gemacht. Der HR-Excellence Award hat die besten Initiativen prämiert.

Das sind keine Employer Branding Strategien, sondern kleine Einzelinitiativen, aber alle mit dem Ziel, Fachkräfte-Zielgruppen sich zu gewinnen. Am Schluss bleibt die Frage: Was nehmen wir aus diesen PR Stunts und Initiativen mit? Welche anderen Faktoren sind noch wichtiger, lassen sich aber nicht vermarkten? Was macht den nachhaltigen Erfolg eines Arbeitgebers auf dem Fachkräftemarkt aus?


Wir brauchen Ihre Meinung!
Wie erleben Sie den Fachkräftemangel und andere HR-Entwicklungen?
Wir bitten Sie und die ganze Schweizer HR Community, an der von-Rundstedt-Umfrage zum «Fachkräftemangel in der Schweiz» teilzunehmen. Wie erleben Sie den Fachkräftemangel und andere HR-Entwicklungen bei Ihnen im Unter-nehmen? Die Umfrageergebnisse werden im Spätsommer ausgewertet und im Oktober im HR Today publiziert.