Studie «Arbeitskräfte 55plus» – erste Ergebnisse

Edgar Spieler, Director Public & Innovation, von Rundstedt

Die Fähigkeiten der älteren Arbeitnehmenden werden zwar hochgeschätzt. Doch die Unternehmen tun zu wenig, um dieses Potential zu entwickeln und zu nutzen. Sie sollten den Fokus auf eine spezifische Förderung und eine chancengerechte Rekrutierung legen.

Der demographische Wandel wirkt sich doppelt auf die Unternehmen aus. Er führt einerseits zu einem steigenden Anteil von Mitarbeitenden 55plus. Anderseits gehen seit 2020 mehr Menschen in Rente als neu in den Arbeitsmarkt eintreten. Dies führt zu einer Akzentuierung des Fachkräftemangels, der mit der Zuwanderung im bestehenden Umfang nicht auszugleichen ist.

Die Erwerbsbeteiligung der Arbeitskräfte 55plus ist bereits heute hoch. Arbeitnehmende 55plus werden auch seltener arbeitslos als jüngere Personen. Doch wenn sie ihre Stelle verlieren, suchen sie nicht nur länger, sondern müssen auch oft substanzielle Einbussen beim Lohn in Kauf nehmen. Zudem geht ein erheblicher Teil nicht ganz freiwillig in Frühpensionierung, während das Arbeiten über die Pensionsgrenze hinaus noch wenig verbreitet ist. Die älteren Arbeitnehmenden bilden jedoch statistisch gesehen das grösste Potenzial zur Entschärfung des Fachkräftemangels.

Wir wollten in unserer Umfrage wissen, wie Unternehmen im Kontext des demographischen und technologischen Wandels das Potenzial der älteren Mitarbeitenden einschätzen, ob und mit welchen personalpolitischen Massnahmen sie dieses nutzen und welche Lösungen aus Sicht der Unternehmen ausserdem wichtig wären. Im Folgenden stellen wir erste Ergebnisse unserer Studie vor. Wir beschränken uns dabei auf die Ergebnisse aus der Schweiz.

Der demographischen Wandel wird unterschätzt

Die Altersstruktur der Belegschaft ist der Mehrheit der Unternehmen wichtig. Während 38 Prozent eher der Meinung sind, der Anteil älterer Arbeitnehmender sollte erhöht werden, liegt der Anteil derjenigen, die eine Erhöhung des Anteils jüngerer Arbeitnehmender befürworten, bei 44 Prozent. Diese intuitiven Bewertungen weisen darauf hin, dass der demographische Wandel bei einer Mehrheit der Unternehmen noch nicht angekommen ist. Die Unternehmen erwartet in den nächsten Jahren eine ältere Belegschaft, auf deren Ressourcen sie verstärkt angewiesen sein werden.


Präsentation der Studien in Zürich und Basel

Wie interpretieren Sie diese Ergebnisse? Besuchen Sie die Präsentation unserer Studie und diskutieren Sie mit uns die Ergebnisse am

  • Mittwoch, 12. November in Zürich.

  • Mittwoch, 26. November in Basel.

Wir freuen uns darauf, weitere spannende Erkenntnisse zu Rekrutierungsbarrieren, Widersprüchen im Talentmanagement und den Statements zu Unternehmen und älteren Arbeitskräften mit Ihnen zu teilen.


Die Fähigkeiten der Arbeitskräfte 55plus werden hochgeschätzt

Weit über 90 Prozent der Unternehmen schätzen die fachliche Expertise, das berufliche Netzwerk und das Kundenverständnis der Beschäftigten 55plus. Auch ihre Erfahrung im Umgang mit Veränderungen und die Beiträge zu Innovationen werden von einer deutlichen Mehrheit anerkannt. Einzig bei der Gestaltung der digitalen Transformation sieht nur gut ein Drittel Stärken bei dieser Altersgruppe. Für mehr als drei Viertel tragen die Arbeitskräfte 55plus zudem zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit ihres Arbeitgebers bei.

Die personalpolitische Praxis der Unternehmen wird dem Potenzial 55plus nicht gerecht

Für rund drei Viertel der Antwortenden ist bei ihrem Arbeitgeber eine Praxis der Bindung und Beschäftigung dieser Altersgruppe bis zum regulären Pensionsalter erkennbar. Beinahe die Hälfte stellt aber auch eine Praxis der Begleitung in die Frühpensionierung fest; während deutlich weniger als die Hälfte (44 Prozent) einen Schwerpunkt bei der Beschäftigung über das reguläre Rentenalter hinaus beobachtet. Und weniger als 20 Prozent können eine gezielte Rekrutierung von Personen 55plus beim eigenen Arbeitgeber feststellen.

Die Praxis der Unternehmen erfüllt die Erwartungen von Führungskräften und HR nicht

Die Teilnehmenden der Studie würden die Ziele beim Management der Arbeitskräfte 55plus selbst anders gewichten. Die gezielte Rekrutierung von Personen 55plus sollte aus der Sicht von knapp zwei Dritteln der Antwortenden ein Schwerpunkt sein. Interessanterweise würden zudem rund 70 Prozent einen Schwerpunkt bei der Frühpensionierung und mehr als die Hälfte (57 Prozent) beim Arbeiten über das reguläre Rentenalter hinaus setzen – dies im Sinne einer Sowohl-als-auch-Strategie. Die vermehrte Einstellung älterer Mitarbeitender wäre betrieblich sinnvoll, entsprechende Rekrutierungsaktivitäten bleiben aber aus.

Mehr als 70 Prozent antworten, dass sich die Einarbeitung ab einer Verweildauer von vier Jahren oder kürzer für das eigene Unternehmen lohnt. Dennoch stellen rund 60 Prozent der Unternehmen Führungskräfte, Fachspezialisten oder andere Mitarbeitende in der Regel nur bis zum Alter 55 oder jünger ein. Nur knapp die Hälfte bejaht klar, dass bei der Rekrutierung allen Altersstufen gleiche Chancen eingeräumt werden, während gegen 40 Prozent dies wichtig finden würden. Weniger als 10 Prozent bestätigen eine spezifische Adressierung der Unternehmen im Rekrutierungsprozess. Dies würden aber 45 Prozent für ihr Unternehmen wichtig finden.

Die Offenheit für Rollenwechsel im Unternehmen ist grösser; es gibt aber kaum spezifische Förderung

Eine Mehrheit antwortet, dass Funktionswechsel bei ihrem Arbeitgeber auch mit über 55 Jahren möglich sind. Allerdings bejaht nicht einmal ein Fünftel, dass der eigene Arbeitgeber Standortbestimmungen für Mitarbeitende 50plus anbietet, obwohl das mehr als die Hälfte wichtig finden würden. Auch den Karriereaufbau, den Funktionswechsel oder die inhaltliche Anpassung der Funktion fördert jeweils nur ein Drittel der Unternehmen für seine Mitarbeitenden 50plus, obwohl dies mehr als 40 Prozent wichtig finden würden.

Flexible Arbeitszeitmodelle und betriebliches Gesundheitsmanagement sind verbreiteter als das Talentmanagement 50plus

Dass der eigene Arbeitgeber flexible Arbeitszeitmodelle wie Jahresarbeitszeit oder Teilzeit anbietet, bestätigen zwischen 43 und 64 Prozent der Antwortenden. Auch bietet der eigene Arbeitgeber gemäss mehr als der Hälfte der Antwortenden Massnahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements im Bereich Verhältnis- und Verhaltensprävention an. Die Unternehmen scheinen bei der Personalbindung also stärker auf diese Themen als auf eine spezifische Förderung der Mitarbeitenden 50plus zu setzen.

Generationenmanagement – die Reflexion von Vorurteilen und das Engagement von Führungskräften sollten gestärkt werden

Mehr als die Hälfte der Antwortenden gibt an, dass der eigene Arbeitgeber altersdurchmischte Teams fördert und knapp die Hälfte, dass er auf den Wissensaustausch zwischen den Generationen setzt. Allerdings erkennt nur ein Drittel eine Auseinandersetzung der Führungskräfte oder der Mitarbeitenden mit den Sichtweisen und Bedürfnissen der Generationen sowie eine Reflexion der eigenen Vorurteile beim eigenen Arbeitgeber, während rund die Hälfte dies wichtig finden würde. Und dies zurecht: Gerade die Reflexion der Vorurteile durch die Führungskräfte könnte Offenheit und Engagement bei der Rekrutierung und Förderung älterer Mitarbeitender stärken.

Das Referenzalter bleibt eine fixe Grenze – auch wenn Leistung und Verhalten stimmen.

Ein Drittel verneint, dass die Mitarbeitenden den Zeitpunkt der altersbedingten Auflösung des Arbeitsverhältnisses wählen können; und zwar auch dann nicht, wenn Leistung und Verhalten stimmen. Umgekehrt bejahen zwei Drittel, dass das Arbeitsverhältnis mit Erreichen des Referenzalters ohne weitere Vereinbarungen endet.

Frühpensionierung wird stärker gefördert als Arbeiten im Rentenalter

Generell sind Pensionierungspraktiken, die vom Referenzalter abweichen, selten. Auffällig ist, dass mehr als ein Drittel antwortet, dass der eigene Arbeitgeber die Frühpensionierung fördert, während etwa ein Viertel bestätigt, dass der eigene Arbeitgeber längeres Arbeiten propagiert. Am grössten ist dabei das Interesse, dass Fachspezialisten länger arbeiten.

Es bleibt für die meisten Unternehmen noch viel zu tun, um ein effektives Alters- und Generationenmanagement aufzubauen und damit die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Die Teilnehmenden an dieser Studie haben die Bedeutung der entsprechenden Massnahmen und Programme erkannt. Entscheidend ist, dass sie auch umgesetzt werden.